Montag, 28. September 2009

tempus fugit, vita fugit (Sonne und Mond)

Die Sonne ist weder fern noch nah. Aber sie ist längst da, ehe sie aufgeht, und noch da, wenn sie schon untergegangen ist (...). Der Mond ist nie da, ehe er aufgegangen ist; er ist immer nur er selbst in seiner sanften Gegenwart, die sich ohne Blendung anschauen läßt (...). Sonne und Mond sind nicht einfach die Gestirne von Tag und Nacht, als seien die Zuständigkeiten säuberlich und konfliktfrei aufgeteilt. In Wahrheit besteht eine unerbittliche Rivalität zwischen ihnen. Die Sonne ist die Feindin des Mondes, dem sie widerwillig ihr Licht leiht, und der Mond der zwar milde, doch entschiedene Widerspruch gegen die Sonne, die ihre Peitsche über der Tageswelt und ihrer Geschäftigkeit schwingt.
Hans Blumenberg: Der Mond als poetische Erscheinung (Die Vollzähligkeit der Sterne)

N.B.:
Metaphorologie erfordert auch, eine Metapher fallen zu lassen, wenn sie die Sache (den Tatbestand) nicht (mehr) trifft.
Arme Sonne, wer wärmt sie? Wer leuchtet sie an? Vita fugit... Der kleine Mond, muss sich zusammenraffen, und zurückstrahlen, wer weiss, vielleicht genügt ein Lächeln, beeil dich, kleines Nachtgestirn, tempus fugit...